„Ich werde (fucking) 30!“
Wenn dieser Artikel online geht, sind es noch genau 40 Tage, bis ich 30 werde.
“They’re singing, ‘Happy birthday’
You just wanna lay down
and cry
Not just another
birthday, it’s 30/90
Why can’t you stay 29
Hell, you still feel like you’re 22
Turn 30 in 1990Bang! You’re dead,
what can you do?”
“Sie singen ‘Happy Birthday’
Doch du willst dich einfach nur hinlegen und weinen
Das ist nicht einfach ein weiterer Geburtstag, sondern 30/90Warum kann man nicht 29 bleiben
Du fühlst dich immer noch wie 2230 werden in 1990BAM! Du bist quasi tot, aber was soll man machen?”
Na gut, wir haben nicht mehr 1990, aber abgesehen davon… stimmt der Rest doch, oder nicht?
Ich sag’s, wie es ist:
Als ich 15 war, dachte ich, mit 25 sei man alt, mit 30 so gut wie tot.
Das hat sich – Überraschung – mit der Zeit ein bisschen geändert. Mittlerweile denke ich, mit 15 ist man ein Baby. (haha)
Noch in den letzten zwei, drei Jahren war für mich das 30-werden keine große Sache. Aber jetzt ist es fast soweit und wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht mehr so recht, wie ich dazu stehe.
Realistisch betrachtet ändert sich erstmal kaum etwas, da zwischen dem Zifferwechsel nur ein Tag liegt, aber wie geht es dann weiter? Viele Leute scheinen einen Wirbel um die 30 zu machen, sie als neuen Lebensabschnitt zu bezeichnen. Man ist plötzlich älter und fängt an, darüber zu sprechen, wie sich der Körper in den nächsten Jahren verändern könnte – und vor allem prasseln neue Erwartungen auf einen ein.
Als ich mich dazu entschied, diesen Artikel zu schreiben, ging ich erstmal davon aus, genau zu wissen, was ich über das Thema “älter werden” denke. Je mehr ich mich dann aber damit beschäftigte, desto deutlicher wurde, dass ich’s doch nicht so wirklich tue.
Dennoch: Auf der Suche nach einer Antwort ist mir auf jeden Fall einiges klar geworden.
Lasst mich doch gut finden, was ich gut finde.
Zum Beispiel, dass ich zu manchen Dingen eine sehr starke Meinung habe:
Vor kurzem wurde mir ein Tweet mit folgender Aussage in meine Timeline gespült:
‘Ich bin ein Ravenclaw‘ Nein, du bist 33 Jahre alt.
An alle Millenials: Ihr müsst endlich erwachsen werden. Was zur Hölle ist an eurem Leben so schlimm, dass ihr euch immer noch in Fantasien über Harry Potter und Hogwarts flüchtet?“
Ehm, hallo? Hast du mal einen Blick in die Welt geworfen? Wie kann man sich da nicht nach Hogwarts flüchten wollen?
Okay, aber ernsthaft:
Neben der herabwürdigenden Formulierung dieses Kommentars, für die ich den oder die Verfasser:in gerne kurz boxen würde, sehe ich ein großes ERROR im Inhalt: Warum zur Hölle – um den Wortlaut zu recyclen – darf ich ab einem bestimmten Alter Dinge, die ich in meiner Jugend gut fand, nicht mehr genießen? Wo ist da der Sinn?
Das Gleiche gilt zum Beispiel auch für einen gewissen Kleidungsstil:
“Du solltest dich wirklich deinem Alter entsprechend anziehen”, ist eine gern genutzte Formulierung aus der Reality-Show Queer Eye, bei der Teilnehmer:innen von vier Typen und einer nicht-binären Person ein Make-Over bekommen. Jemanden zu motivieren, mal was Neues auszuprobieren, finde ich cool, aber dieser Unterton von “Na gut, aber so wie du jetzt rumläufst, ist das schon ein bisschen peinlich!”, stört mich total.
Lasst die Leute doch gut finden, was sie gut finden.
Wenn ich auf natürlichem Wege das Interesse verliere oder sich mein Geschmack verändert, dann ist das völlig okay. Aber mir auszureden, an etwas Spaß zu haben oder einen Look zu fühlen, weil ich seit zwei Tagen nicht mehr 29, sondern 30 – oder eben 33 bin, erscheint mir recht albern. Das Großartige am Erwachsensein ist doch, dass ich selbst entscheiden kann, was ich tun oder lassen, mögen oder nicht mögen will.
Solche Kommentare nerven mich wirklich, weil sie – ähnlich wie toxische Maskulinität – einen Druck erzeugen, der unnötig einschränkt und die Lebensqualität tatsächlich vermindert. Das klingt vielleicht dramatisch, aber ich empfinde Scham als unfassbar ekliges und unnötiges Gefühl – besonders, wenn es sich auf etwas bezieht, das einem eigentlich Freude bereitet.
Tatsächlich muss ich aber sagen, dass ich hierauf bezogen mal wieder sehr dankbar für mein Selbstbewusstsein bin, das mit Sicherheit auch aufgrund meines coolen Umfelds so ausgeprägt ist: Viele meiner Freund:innen stehen z.B. total auf Animes oder Comics, leben sich in ihrem Style voll aus oder gehen einem Hobby mit großer Leidenschaft nach.
Wir finden es ziemlich cool, für etwas zu brennen.

Erwartungen ans 30 werden
Ich frage mich, ob wir so ’ne Art “Umbruchgeneration” sind: Als Kind dachte ich nämlich schon noch, es sei normal, nach der Schule einen Job anzufangen, in dem man dann bis zur Rente bleibt, mit Mitte Zwanzig ein Kind zu bekommen, eventuell ein Haus zu kaufen und so weiter…
Mittlerweile kenne ich zig Leute, die ihr Leben nicht so führen – wie ich z.B. – und gerade im Internet wird immer mehr darüber gesprochen, dass es okay ist, sein Leben fernab von diesen Vorstellungen zu gestalten, aber gleichzeitig, welcher Druck von außen herrscht.
Dinge anders zu machen und sich vom Gewohnten zu entfernen, ist ja immer anstrengend. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, der Alternative nachzugehen, wenn sie mehr Möglichkeiten bietet, so zu leben, wie man es wirklich möchte.
Von Fitness bis Haarausfall – Wo ich mir aktuell unsicher bin…
Obwohl ich, was meinen Lebensstil angeht, super entspannt bin, gibt’s schon ein paar Dinge, über die ich mir Gedanken mache:
Ich würde sagen, ich bin, was meinen Trainingszustand angeht, aktuell so gut in Form wie noch nie zuvor. Wie viel schwerer wird es in den nächsten zehn Jahren werden, das aufrechtzuerhalten?
Außerdem arbeite ich hauptsächlich vor der Kamera und auf Social Media, das heißt, ich sehe mich selbst quasi rund um die Uhr.
Was passiert, wenn meine Haut sichtbar älter wird oder ich Haare verliere? Wie werde ich damit umgehen, wenn mich Leute z.B. in Kommentaren darauf ansprechen? Gerade, weil im Internet, aber irgendwie auch in unserer Gesellschaft, Jugend so gepriesen wird. Was eigentlich absurd ist, wenn man darüber nachdenkt, da es um eine superverängliche Sache geht, aus der ausnahmslos JEDE:R herauswächst.
Am Ende des Tages kann man darauf eh nur begrenzt Einfluss nehmen und ich weiß auch, dass ich hier von oberflächlichen Punkte spreche, aber… ja, ein bisschen “Angst” macht es mir schon. Gleichzeitig vertraue ich darauf, dass ich in, was auch immer kommen mag, hineinwachse und Sorgen, die ich mir heute mache, verschwinden werden.
Vorbilder 🙂
Eine Sache, die mich irgendwie entspannt, ist, zu wissen, dass Vorbilder aus meiner Jugend, mit mir gemeinsam älter werden. Einer meiner liebsten Schauspieler, Dylan O’brien, wurde zum Beispiel letztes Jahr 30.
Das ist das Gute an Leuten, die man feiert: Sie geben einem Orientierung. (Diese Power haben einige Menschen in meinem Umfeld übrigens auch.)
Wenn die 30-sein und immer noch cool sein können, krieg’ ich das wohl auch hin.
Ein noch stärkeres Vorbild in der Hinsicht sind für mich RuPaul (61), die erfolgreichste Dragqueen der Welt, und Michelle Visage (53), seine beste Freundin. Die beiden führen einen gemeinsamen Podcast und immer, wenn ich den höre, denke ich mir nur: “Wenn ich mit 60 noch so cool drauf bin wie die beiden und das Leben so genießen kann, ist Altwerden wohl doch nicht so schlimm.” Die haben so viel Spaß miteinander, wirken fast weise, wenn sie mit beneidenswerter Gelassenheit über tiefgründige Fragen diskutieren, lachen dann aber wie Teenager über anzügliche Witze. Ich liebe es.
Aber wäre ich gerne wieder 22?
Unter keinen Umständen! (haha)
Dafür habe ich in den letzten Jahren einfach zu viel gelernt, bin zu sehr gewachsen. Auch, wenn’s ’ne geile Zeit war, wäre ich unter auf keinen Fall dazu bereit, auf den Wissensstand meines 22-jährigen Ichs zurück zu schrumpfen. No way.
Außerdem bin ich auch neugierig, was kommt. Ich hatte in meiner Familie mal in die Runde gefragt, welches Alter alle so am besten fanden und lustigerweise haben sich die Antworten schrittweise versetzt:
Meine Mum, die 57 ist, sagte, 35 bis 40 sei echt eine super Zeit gewesen, meine 83-jährige Oma hingegen meinte, so zwischen 50 und 60 war alles richtig cool. Demnach glaube ich schon, dass ich ordentlich was verpassen würde, wenn ich immer 22 oder so bliebe.

Was ist nun meine Antwort?
Tja… gute Frage…
Je länger ich mich mit diesem Thema auseinandersetze, desto stärker sehe ich mein Ausgangsstatement bestätigt:
“Zu einigen Dingen habe ich eine klare Haltung, bei anderen bin ich unsicher.”
Aber ich glaube, DAS ist normal und nicht nur bei der 30 so.
Weil ja keiner weiß, was kommt.
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